Rüdiger Bertram – Antje Herden – Kai Lüftner

Rüdiger Bertram – Antje Herden – Kai Lüftner

Donnerstag, 28. November 2013

Party – Kai Lüftner


Zuerst war Herr Bauer gestorben, unser Hase. Am Morgen des Ostersonntags.

Mein kleiner Bruder Torben durfte das nicht erfahren und Mama und ihr Neuer (ich nenne ihn heimlich Hilfi, aber eigentlich heißt er Hannes) taten alles, damit er es nicht mitbekam.

Die ersten Stunden lenkten sie ihn mit Kinderfilmen und Vorlesen ab.

Am ostersonntäglichen Frühstückstisch aber fragte er schließlich: „Wo ist Herr Bauer?“

Mama schaute Hilfi an, als wenn sie es gewusst hätte. Hilfi nickte hilfsmäßig und ich konnte ein Schnaufen nicht unterdrücken. Meisterleistung, Mama. Natürlich fragte Torben, wo Herr Bauer war. Schließlich saß der jeden Morgen unterm Frühstückstisch und mümmelte die Brötchenkrümel auf, die Torben absichtlich fallen ließ.

Mama hätte jede Chance gehabt. Sie hätte genau jetzt zum Beispiel sagen können: „Schatz, der Herr Bauer, weißt du, der war schon sehr alt, oder er hat sich offenbar den Magen verdorben und ist nun im Hasen-Himmel.“ – Oder sowas in der Art. Sie musste ja nicht sagen, dass er bereits in einer Alditüte in der Tonne lag und ihm die Zunge mindestens zehn Zentimeter aus dem Maul hing.

Aber manchmal sind Erwachsene seltsam kompliziert.

Jedenfalls schaute Mama Hilfi noch eine Weile an, der immer noch voll hilfsmäßig nickte, was offenbar verständnisvoll oder sowas sein sollte. Dann tat sie es und sagte: „Was hältst du von einer spontanen Party, Torben? Einfach nur so.

Eine Party? Einfach nur so?

Hilfi strahlte und Torben war zu klein, um zu verstehen, was Mama meinte. Deshalb legte sie sehr übereifrig und ein bisschen zielgruppenorientierter nach: „Na, so mit Spielen spielen und verrückte Sachen machen ...“ Sie suchte Hilfe bei Hilfi.

„Ähm“, machte Hilfi und wollte offenbar total cool sein. Deshalb sagte er: „Tanzen zum Beispiel!“

„Ja, Wanzen!“, schrie Torben begeistert und ich schüttelte kaum merklich den Kopf. Hilfi war in Fahrt und lief unter Mamas wohlwollenden Blicken zu Höchstform auf. „Bei einer Party macht man lauter Dinge, die einem Spaß machen und isst ganz leckeres Essen ... Oder, Kai?“

Er sah mich aufmunternd an. Ich schüttelte weiter den Kopf, während ich sagte: „Ja, zum Beispiel falschen Hasen!“

Torbens Strahlemiene wurde zu einem verunsicherten Flunsch und nun rückte er seinen Kinderstuhl zurück, um unter dem Tisch zu schauen, ob da nicht doch irgendwo Herr Bauer war. Party vergessen.

Mama schoss Blitze auf mich. Das konnte sie gut. Und Hilfi legte ihr die Hand auf den Arm und tat dabei irgendwie so, als würde er mich beschützen und gleichzeitig wieder so unglaublich verständnisvoll sein.

Ich kam nur ungeschoren davon, weil Torben einen Heulkrampf bekam und Mamas ganze Aufmerksamkeit auf sich zog.

Ich zog auch, und zwar in mein Zimmer ab. Dort überlegte ich mir, was zu tun sei.

Ohne zu fragen, bin ich dann ´ne halbe Stunde nach draußen gegangen. Als ich zurückkam, hab ich mich erst bei Mama entschuldigt und ihr genauso verständnisvoll die Hand auf den Arm gelegt wie Hilfi. Das fand er doof, hab ich richtig gemerkt, aber Mama hat sich gefreut.

Am Abend hab ich Torben alles erklärt mit Herrn Bauer (außer das mit der Zunge). Das wir alle irgendwann sterben müssen und so weiter.

Er hat nicht alles verstanden, vielleicht weil ich es dann irgendwie doch nicht so richtig gut erklären konnte. Aber ich hatte vorgesorgt und ihm einen neuen Hasen gekauft. So´n ganz besonders niedlichen mit voll plüschigen Ohren. Von meinem eigenen Taschengeld gekauft – und diesem zehn Euroschein, der Hilfi ... naja, irgendwie aus dem Portemonnaie gefallen war.

Wir haben den Hasen Herr Bauer Zwei genannt und beim ins Bett Gehen war Torben irgendwie gar nicht mehr traurig wegen Herr Bauer Eins, nur noch ein bisschen, hat er gesagt.

Tja, alles muss man selber machen. – Während die Erwachsenen sich um Partys kümmern, die dann nicht mal stattfinden!

Eine Schande ist das!

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