„Du willst mein Leben zerstören!“,
schreie ich dich an. Doch du antwortest nicht.
Ich weiß, du willst das nicht hören
und ich sehe den Schatten, der kurz deine glänzende Fassade verdunkelt. Nicht
lange. Oh nein, denn du bist nicht schuld an der Misere. Du willst nur mein Bestes.
Ha!
Leider kann ich nicht mehr sagen,
das bekommst du aber nicht. Meine besten Zeiten sind ganz offensichtlich längst
vorbei.
Unzählige Male habe ich dir ein:
„Schluss! Das war´s!“ entgegengeworfen.
Vom ersten Moment an, da ich dich
mit nach Hause nahm, ahnte ich, dass das ein blöder Fehler war. Du
durchschautest jedoch, dass ich nicht die Stärke haben würde, die es bräuchte,
dich wieder aus meinem Leben zu verbannen. Du weißt, dass ich dir gehöre. Ganz
und gar. Ob ich das will oder nicht.
Meine Zurückweisungen hast du mit
einem müden Lächeln quittiert, das dir kaum die Mundwinkel kräuselte.
Und du hast Zeit.
Wo ist mein Stolz geblieben? Wo das
Gefühl, dass ich nicht eine bin, die leicht zu haben ist? Sondern eine, für die
man kämpfen, um die man sich bemühen muss.
Ich war schön und mir meiner selbst
gewiss. Du hättest um meine Gunst betteln müssen. Nicht, dass ich das gewollt
oder gar gebraucht hätte. Es wäre einfach nur so gewesen. Damals als ich das gar
nicht wusste, weil es keine Rolle spielte.
Ich springe auf und werfe meine
Jacke über. Ich muss weg von dir, raus an die Luft und ein paar Schritte gehen.
Es ist kalt, aber die Sonne scheint.
Sie wirft meinen Schatten auf den Bürgersteig. Schwer und gebeugt sehe ich ihn
sich neben mir herschleppen. Das traurige Abbild des Bildes, das ich biete. Mir
kommen die Tränen des Selbstmitleids. Doch während ich deren Salz noch
schmecke, renne ich nach Hause. Genug ist genug.
Du blickst mir entgegen.
Dieses Mal ist dein Lächeln
liebevoll. Einladend.
Du hast die Wahrheit in meinen
Augen erkannt.
Nimm mich. Ich bin da.
Ich erkläre meine Kapitulation und
greife nach dir.
Bereitwillig lässt du dich von mir
ausziehen.
...
„Heute ist es soweit“, kräht mein
Sohn aufgeregt, als er aus der Schule kommt. Er schmeißt seinen Ranzen in die übliche
Ecke und verschwindet sofort in seinem Zimmer. Ein mulmiges Gefühl bemächtigt
sich meiner. Zu Recht.
„MAMA!!!!“
Er kommt aus seinem Zimmer wieder
herausgerannt, bremst nicht ab, als er um die Ecke ins Wohnzimmer biegt, bleibt abrupt erst vor mir stehen, die ich dort auf dem Sofa sitze. Er stemmt die Arme in
die Hüften. Kleine Wutwolken dampfen aus den Ohren meines Kindes und aus seiner
Nase. Seine grünen Augen blitzen in gerechtem Zorn.
„Ja, mein Schatz. Was ist denn
los?“, frage ich harmlos interessiert, wie ich hoffe, und ärgere mich, dass
meine Stimme dabei umkippt wie ein leerer blecherner Eimer im Wind oder der
Ententeich im Park Ende August. Schnell lasse ich eine kleine harte
Glanzpapierkugel in der Sofaritze verschwinden.
„Wer ...“, beginnt mein Sohn
entrüstet.
Dann muss er noch einmal Luft
holen, weil die ihm der Ärger nimmt, und er viel davon braucht, um mir seine
verhängnisvolle Frage entgegen zu brüllen.
„Wer hat meinen
Schokoladenweihnachtsmann aufgegessen?"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen