Rüdiger Bertram – Antje Herden – Kai Lüftner

Rüdiger Bertram – Antje Herden – Kai Lüftner

Donnerstag, 10. April 2014

Katze iPad – Antje Herden


Lisas Haare glänzten in der Sonne. Ich wollte meine Nase darin vergraben und ihren Geruch in mich hineinsaugen. Langsam beugte ich mich vor.
Da lehnte sich Lisa zu Janik hinüber. Die beiden steckten die Köpfe zusammen und lachten.
Ich schmiss mein halbgegessenes Schulbrot in die Dose zurück. Denn das waren die Tatsachen: Ich war der Typ mit Brotdose. Janik kaufte sich sein Frühstück morgens beim Bäcker neben der Schule. Und er hatte ein iPad.

„Janik ist ein Angeber“, kam Toms Stimme verächtlich hinter dem neuen LTB hervor. „Aber du kannst dir doch einfach ein iPad zum Geburtstag wünschen.“
Tom ist mein bester Freund. Wir chillten in meinem Zimmer und ich hatte ihm ganz kurz mein Problem umrissen, den Namen Lisa aber weggelassen.
„Meine Mutter wird mir was husten. Weißt du was die Teile kosten?“
„Klar, weiß ich das. Wir haben gestern erst in diesem Monstermegaladen davor gestanden. Erinnerst du dich?“ Tom schaute mich über den Rand des Comics hinweg an, als ob ich sie nicht mehr alle hätte.
„War ´ne rhetorische Frage“, sagte ich und stöhnte.
„Das ist ganz klar ein Fall für den Haustiertrick“, bestimmte Tom und legte sogar das Comic zur Seite. „Du wünschst dir einfach einen Hund.“
„Ich mag eigentlich lieber Wölfe in der Tundra, als Hunde in der Stadt“, sagte ich und kapierte überhaupt nichts. „Das wissen auch meine Eltern.“
Tom drehte genervt die Augen nach oben. „Na, dann eben eine Katze.“
„Was soll ich denn mit einer Katze?“
„Mann, Alter, das ist doch der Trick.“ Tom war so angetan von seiner Idee, dass er von meinem Bett sprang, sich mitten ins Zimmer stellte und mit großen Gesten erklärte. Obwohl die überhaupt nicht nötig waren. Schließlich ging es um eine kleine Katze und ein iPad Mini. Allerdings um große Gefühle. „Du musst alles hineinlegen, was du emotional so drauf hast, und dir eine Katze zum Geburtstag wünschen“, sagte Tom.
„Welcher 13Jährige wünscht sich denn eine Katze zum Geburtstag? Das ist völlig absurd“, sagte ich.
„Das ist genau der Punkt. Warum tut ein 13Jähriger so was?“ Tom schaute mich erwartungsvoll an. Weil ich aber nur mit den Schultern zuckte, beantwortete er die Frage gleich selbst. „Ist doch klar. Der traurige Abschied von der Kindheit. Nicht mehr Junge, noch nicht Mann. So was ist nicht einfach. Da braucht man hin und wieder was zum Kuscheln.“ Toms Augen strahlten, als würde ihn seine Idee von innen irgendwie erleuchten. „Glaub´ mir, das wird deinen Eltern die Tränen der Rührung in die Augen treiben und sie werden dir jeden Wunsch erfüllen wollen.“
„Sie wollen keine Haustiere. Der Hamster damals war das höchste der Gefühle. Sie werden mir keine Katze schenken“, sagte ich.
„Alter, du willst doch auch gar keine Katze“, fuhr Tom auf und schüttelte über so viel Unverstand den Kopf. „Das wissen deine Eltern aber nicht und sie werden ein sauschlechtes Gewissen kriegen. Nun kommt dein Zweitwunsch ins Spiel. Ich verspreche dir, deine Eltern werden alles tun, um deinen zweiten Herzenswunsch heraus zu bekommen.“

Meine Eltern taten alles, um meinen zweiten Herzenswunsch heraus zu bekommen. Zumindest hatte ich den Eindruck. In den folgenden drei Wochen ließ ich immer mal wieder das iPad fallen. Achtete aber darauf, dass das kleine Kätzchen auf alle Fälle die Nummer eins blieb. Ich überschritt sogar alle Grenzen und postete mit zusammengebissenen Zähnen ein niedliches Katzenbild im Facebook. Ich hatte die Vermutung, dass sich meine Mutter hin und wieder auf meinem Profil herumtrieb. Sie verriet sich mit einem Herzchenkommentar unter dem Kätzchenbild.
„Wir hatten abgemacht, dass du mich nicht stalkst“, fuhr ich sie am Abendbrottisch an.
„Entschuldige bitte“, murmelte meine Mutter beschämt.
Sie tat mir ein bisschen leid. Aber nun konnte ich sie endlich blocken und das Katzenbild wieder löschen. Außerdem war ich mir sicher, am übernächsten Morgen Besitzer eines nigelnagelneuen iPads zu werden. Toms Plan schien wirklich aufzugehen.
In der Nacht malte ich mir sämtliche Variationen aus, wie ich Lisa zu mir einlud und wir uns über mein neues iPad beugten, die Köpfe zusammen steckten und  ihre glänzenden Haare meine Nase kitzelten.

Die 13 Kerzen hatten alle auf die Torte gepasst. Meine Eltern gaben ein Ständchen und ich pustete. Ich habe nichts gegen Traditionen.
Man konnte die Aufregung der beiden beinahe anfassen. Ich musste grinsen. Sie wollten mir ihr Geschenk sofort geben und sich an meiner Freude freuen. Mein Vater holte es schließlich hinter seinem Rücken hervor, meine Mutter hüpfte auf der Stelle und mir wurde schlecht.
Das Paket war groß, viel zu groß. Im Inneren rappelte es. Die Luftlöcher an den Seiten hätte ich gar nicht mehr gebraucht, um die Wahrheit zu kapieren. Erschüttert sank ich aufs Sofa.
Meine Mutter strich mir immer wieder durch die Haare. „Mein Lieber, ach, mein Lieber“, murmelte sie ergriffen. Sie hielt meine Tränen für absolute Überwältigung und reine Freude und ich hatte einfach keine Kraft, sie zurückzuhalten. Mein Vater schaute etwas besorgt.

Ich nannte die Katze iPad.

Am nächsten Abend saß ich vor meinem alten Rechner. iPad tobte durchs Zimmer. Dann kam sie, stubste mich an, rollte sich auf meinem Schoß zusammen. Bevor ich es richtig kapierte, streichelte meine linke Hand über den kleinen Kopf. iPad schnurrte und machte komische Sachen mit den Pfoten.
Dann erst entdeckte ich es. Oben in der Benachrichtungsspalte. Obwohl das Katzenbild in der Chronik schon gelöscht war. Die Nachricht dazu war noch da:
Lisa hat dein Foto kommentiert: „<3 <3 <3“

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