„Perfekt!“, freute sich der Hairstylist.
Ich drehte meinen Kopf vorsichtig hin und her, um den Haarturm
darauf nicht zum Einsturz zu bringen, ihn aber trotzdem von allen Seiten
betrachten zu können.
„Sieht wirklich hübsch aus“, sagte ich und stand auf.
„Hübsch?“, überschlug sich die Stimme des Juweliers. „Du
bist die wunderbarste Audrey Hepburn, die man sich vorstellen kann.“
Er zupfte noch einmal an meinem schwarzen Kleid herum. Dann
schnippte er mit den Fingern und ein Mädchen, das so alt wie ich war, doch das das
irgendwann vergessen haben musste, tippelte in ihrem Bleistiftrock eilfertig
herbei. Sie hielt ein Tablett in Händen darauf die Auswahl für mich. Der Juwelier
legte mir Kette, Armband und Ohrclips an. Zum Schluß schob er mir den Ring über
den Finger. Seine Zungenspitze versuchte, ihm dabei zwischen den Zähnen
hindurch zu entwischen. Außerdem schwitzte er stark. Dann trat er selbst einen
Schritt zurück.
„Wunderbar, einfach wunderbar“, stöhnte er.
Von dem Moment an hatte ich Horst am Hals. Ich weiß gar
nicht, ob Horst wirklich Horst hieß, aber so nannte ich ihn heimlich. Horst
folgte mir in einem Abstand von zwei Metern überall hin. Zuerst in den großen
quadratischen Raum, der sich inzwischen mit dem schnatternden und glitzernden
Partyvolk der ortsansässigen High Society gefüllt hatte. Wir liefen, wie uns
geheißen, einmal quer hindurch, dann noch einmal längs und wieder quer. Das
hätten wir eigentlich den ganzen Abend über tun sollen, doch unser Weg endete
an der Bar. Wir setzten uns. Zumindest zwei von uns.
Wir das waren drei für diesen Abend gebuchte Models, die als
Audrey Hepburn verkleidet eine Früstück bei Tiffany-Atmosphäre verbreiten
sollten. Das war nicht allzuweit hergeholt, befanden wir uns doch in einem
Düsseldorfer Gebäudekubus (Malkasten hieß der, glaube ich) auf der Präsentation
der neuesten Schmuckstücke von Tiffany. Die Präsentationsflächen waren wir.
Wir jedoch nahmen unseren Job auf eine andere Art sehr ernst
und machten das, was auch Holly auf einer Party getan hätte: Wir betranken uns.
„Meinst du, wir dürfen das?“, fragte ich die andere Audrey,
die erstaunlicherweise auch Antje hieß und auf deren Sofa ich später
übernachten sollte.
„Was sollen wir denn sonst machen?“, fragte sie grinsend zurück
und wir ließen unsere Champagnergläser klingen.
Die Horsts standen im Zweimeter-Abstand hinter uns. Sie
tranken nichts, sie unterhielten sich auch nicht. Sie waren einfach nur da.
Männer drängten sich zwischen uns und die Horsts, scharwenzelten
herum, wie lästige Fliegen. Sie waren korpulent, trugen Glatze oder Toupet und
die Farbe Rot im Gesicht, sie speichelten und wussten nicht so richtig, was
tun, da der Barkeeper von sich aus und sowieso jedes unserer leeren
Champagnergläser durch ein volles ersetzte.
„Eklig“, sprach mir die andere Antje aus der Seele.
„Wir könnten uns küssen, dann ist Ruhe“, schlug ich vor.
Die andere Antje lachte. „Im Gegenteil“, sagte sie und wir
prosteten uns zu.
Die Horsts hatten im Gegensatz zu den erregten Millionären
verstanden und schoben diese respektvoll doch resolut aus unserem Intimkreis.
Dankbar boten wir Champagner an. Sie schüttelten verneinend die Köpfe.
Dann stellte der Caterer ein großes Tablett mit Canapés vor
uns. Natürlich wussten wir, dass die für alle sein sollten. Eigentlich sogar
für die anderen. Aber nun standen sie so günstig vor uns. Wir aßen Dinge, die
wir nicht gewohnt waren. Sie schmeckten gut und wir waren brave Mädchen und
wollten auch, dass das Wetter am nächsten Tag schön werden würde. Niemand von
der illustren Schar der Millionäre griff zwischen uns hinduch zu den kleinen
Broten. Wahrscheinlich war gar nicht geplant gewesen, dass überhaupt jemand wie
ein Bollwerk zwischen Canapés und hungrigem Partyvolk an der Bar sitzen würde.
Die Hocker hatten wir uns von den Horsts hinter einem Vorhang hervorholen
lassen müssen.
„Super, dann brauchen wir nachher nicht noch die Nudeln aufzuwärmen“,
sagte die andere Antje und wir prosteten uns zu.
Als ich zur Toilette musste folgte mir mein Horst im
Zweimeterabstand. Vor der Kabinentür zögerte ich kurz.
„Wollen Sie hier auch mit rein?“, fragte ich.
Horst schüttelte den Kopf und postierte sich davor. Mir war
es peinlich, dass er mich pinkeln hören konnte.
„Warum bewachen Sie mich eigentlich so?“, fragte ich darum
im Plauderton. „Haben Sie Angst, ich könnte mit dem Schmuck einfach abhauen?“
„Nein“, sagte Horst. „Wir passen auf, dass euch niemand
überfällt.“
„Zwischen all den Leuten hier?“, fragte ich scherzhaft.
„So ein Finger ist schnell mal unauffällig abgeschnitten.“
„Um Himmels Willen, das ist ja furchtbar!“, schrie ich auf.
„Das ist doch gar nichts“, sagte Horst und klang sehr
zufrieden. Wahrscheinlich gefiel es ihm, dass ich gerade seine Wichtigkeit
realisierte. Auch wenn Ort und Situation vielleicht etwas ungewöhnlich waren.
„Was meinen Sie denn, was Menschen für viel weniger bereit wären zu tun.“
„Wieviel bin ich denn wert?“, fragte ich leise und blickte
auf meine beringte Hand, die das schwarze Kleid hochgeschoppt hielt.
„Alles zusammen etwa 2 Millionen“, sagte Horst mit fester
Stimme.
Beinahe wäre mir ein Ohrring ins Klobecken gefallen.
Als wir wieder ins Partygetümmel zurückkamen, achtete ich
darauf, dass Horst nicht weiter als einen Meter siebzig hinter mir war.
Irgendwann sprach mich doch noch einmal einer der unzähligen
Männer an. Eigentlich benahm ich mich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nicht mehr
wie Holly und schon gar nicht wie Audrey. Eigentlich hätte ich in mein Bett
gehört. Das dachte der Mann wohl auch, allerdings fiel ihm dabei nicht meines
oder der anderen Antje Sofa ein, sondern eines, das in seinem Schlafzimmer
stand.
„Sie sind die schönste Audrey Hepburn, die ich je sah“,
begann er.
Was für eine Unverschämtheit! „Die schönste Audrey Hepburn ist
Audrey Hepburn, Sie Ignorant!“, empörte ich mich. Ich hörte die andere Antje
kichern.
Beinahe hätte ich champagnerselig angefangen zu
argumentieren, warum das so ist. Vielleicht hatte er ja noch nie einen
Audrey-Film gesehen?
Doch der Mann lachte und ich begriff, dass das lediglich
sein Sprüchlein war, mit dem er mich ins Bettchen zu bringen beabsichtigte. Er
hatte sogar noch eines auf Lager.
„Wie wäre es morgen mit Frühstück bei Tiffany?“
„Nee, danke“, sagte ich und rutschte blöderweise ungewollt
vom Barhocker, wobei mein Haarturm bedenklich ins Wanken geriet, obwohl ich
seit einigen Stunden eigentlich den Eindruck hatte, der hätte sich längst
aufgelöst. Ich bin es einfach nicht gewohnt, seidige Kleider zu tragen, die
einfach so von Lederhockern rutschen. „Wir wollen es mal nicht übertreiben“,
sagte ich, zumindest versuchte ich das. „Ich hatte schon Abendbrot bei
Tiffanys.“
Dann hob mich die andere Antje vom Boden auf, die Horsts
brachten uns in den Ankleideraum, wo man uns auskleidete, wir zogen unsere
Hoodies an und wankten Moonriver singend durch die frühen Morgenstunden
Richtung Schlafstatt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen