Ich fand ja unsere Reise bis dahin gar nicht so schlimm. Doch
vielleicht ärgerte sich Mama, dass die Limo sprudelte und auf ihrer Hose landete. Oder, dass
Matti die Leberwurst von seinem Brot über das ganze Fenster schmierte. Aber dass
Matti keine Leberwurst mag, weiß ja sogar ich. Außerdem dachte ich wirklich,
Mama und Papa würden sich freuen, wenn Matti und ich wilde Räuberlieder sängen.
Okay, mein kleiner Bruder kann noch nicht so gut singen wie ich. Aber sie
hätten trotzdem das Radio etwas leiser anstatt lauter drehen können. Und
vielleicht wäre mein Weg ja doch der richtige gewesen. Ich habe nämlich immer
das Gegenteil gesagt wie die Frau. Aber Papa hat gesagt, ich soll den Mund
halten. Mit seiner bösen Stimme. Darum habe ich das Gegenteil nur noch geflüstert. Papa hat
sich dann verfahren. Viermal.
Auf einmal passierte es. Nach der Sache mit der
Limo.
„Ich werde in diesem Affenstall noch wahnsinnig!“, schrie
Mama.
Matti hörte auf zu rufen, dass er mal Pippi muss und ich hörte auf zu
singen. Vor Schreck.
Da hielt Papa auf einem Parkplatz an. Komisch. Wir wollten
doch ein Eis und dort gab es gar keinen Kiosk? Mama und Papa stießen die Autotüren
auf und stiegen ganz schnell und ohne ein Wort zu sagen aus.
„Ich will auch raus!“, rief Matti. Aber Mama und Papa
beachteten ihn gar nicht.
Ich wollte uns gerade abschnallen, da sah ich etwas
Komisches.
„Was machen Mama und Papa? Tanzen sie?“, fragte Matti.
„Vielleicht“, sagte ich. Ich war mir aber nicht ganz sicher.
„Ich will auch tanzen!“, rief Matti und zappelte in seinem
Sitz herum.
„Matti, ich glaube, wir bleiben besser hier sitzen“, sagte
ich. Denn ich hatte ein ganz merkwürdiges Gefühl.
Mama und Papa hüpften auf der Stelle auf und ab. Dabei
wackelten sie mit den Köpfen und verdrehten die Augen so komisch. Papa stampfte mit einem
Bein, als würde er irgendetwas Kleines tottreten. Mama griff sich in die Haare.
Richtig doll, nicht nur so ein bisschen. Als ob sie sich alle
Haare herausreißen wollte.
„Warum macht Mama das?“, fragte Matti.
„Ich weiß es nicht“, sagte ich.
Entsetzt beobachteten wir, wie unsere Eltern immer höher und
höher und schließlich aufeinander zu sprangen. Bis sie mit der Brust
zusammenknallten. Sie schrieen und dann drehten sie sich um und donnerten mit
den Pos zusammen. Dabei wackelten sie immer noch mit den Köpfen.
„Vielleicht sind sie verrückt geworden?“, überlegte Matti. So
etwas Ähnliches hatte ich auch gerade gedacht.
Nach einer Weile hörten sie auf zu tanzen. Papa stellte eine
Flasche auf einen der Picknicktische. Mama jubelte. Dann hob sie einen Stein
auf und warf ihn nach der Flasche. Papa machte das Gleiche. Sie schrieen und
grölten nach jedem Wurf und warfen immer abwechselnd. Als die Flasche in
tausend Scherben zersprang, jubelten sie alle beide und sprangen wieder aneinander.
Dann holte Papa eine neue Flasche aus dem Mülleimer.
„Das sieht lustig aus“, sagte Matti. Er klang aber so, als
ob er gleich weinen musste.
„Finde ich auch“, sagte ich und schluckte. Meine Spucke kratze im Hals.
Als die dritte Flasche endlich kaputt war, hatten Mama und Papa wohl keine Lust, mehr Flaschen zu zerwerfen. Denn sie rannten zum Kofferraum und holten
zwei Wasserflaschen heraus. Die schüttelten sie so dolle sie konnten.
„Sie spritzen sich mit Wasser nass“, sagte Matti.
„Mhm“, machte ich.
Mama und Papa schüttelten und schrieen und spritzten bis die
Flaschen leer waren. Dann traten sie volle Kanne gegen den Mülleimer. Fünfmal.
Jeder. Ich habe mitgezählt. Es donnerte durch die Landschaft.
Danach kamen sie zum Auto zurück. Ich war gespannt, was nun
passieren würde.
Sie setzten sich auf ihre Sitze.
„Alles angeschnallt?“, fragte Papa mit seiner lieben Stimme.
Ein Wassertropfen baumelte an seiner Nase.
„Ja“, sagte ich.
„Na, dann kann die Reise ja weitergehen“, sagte Mama und
lachte fröhlich.
Ich mache mir große Sorgen. Mal sehen, was die anderen dazu
sagen werden, wenn Frau Reinard am Montag in der ersten Stunde fragt, was wir
am Wochenende Schönes gemacht haben.
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