Zuerst war Herr Bauer gestorben, unser Hase. Am Morgen des Ostersonntags.
Mein kleiner Bruder Torben durfte das nicht erfahren und
Mama und ihr Neuer (ich nenne ihn heimlich Hilfi, aber eigentlich heißt er
Hannes) taten alles, damit er es nicht mitbekam.
Die ersten Stunden lenkten sie ihn mit Kinderfilmen und Vorlesen
ab.
Am ostersonntäglichen Frühstückstisch aber fragte er
schließlich: „Wo ist Herr Bauer?“
Mama schaute Hilfi an, als wenn sie es gewusst hätte. Hilfi
nickte hilfsmäßig und ich konnte ein Schnaufen nicht unterdrücken.
Meisterleistung, Mama. Natürlich fragte Torben, wo Herr Bauer war. Schließlich
saß der jeden Morgen unterm Frühstückstisch und mümmelte die Brötchenkrümel
auf, die Torben absichtlich fallen ließ.
Mama hätte jede Chance gehabt. Sie hätte genau jetzt zum
Beispiel sagen können: „Schatz, der Herr Bauer, weißt du, der war schon sehr
alt, oder er hat sich offenbar den Magen verdorben und ist nun im
Hasen-Himmel.“ – Oder sowas in der Art. Sie musste ja nicht sagen, dass er
bereits in einer Alditüte in der Tonne lag und ihm die Zunge mindestens zehn
Zentimeter aus dem Maul hing.
Aber manchmal sind Erwachsene seltsam kompliziert.
Jedenfalls schaute Mama Hilfi noch eine Weile an, der immer
noch voll hilfsmäßig nickte, was offenbar verständnisvoll oder sowas sein
sollte. Dann tat sie es und sagte: „Was hältst du von einer spontanen Party,
Torben? Einfach nur so.“
Eine Party? Einfach
nur so?
Hilfi strahlte und Torben war zu klein, um zu verstehen, was
Mama meinte. Deshalb legte sie sehr übereifrig und ein bisschen
zielgruppenorientierter nach: „Na, so mit Spielen spielen und verrückte Sachen
machen ...“ Sie suchte Hilfe bei Hilfi.
„Ähm“, machte Hilfi und wollte offenbar total cool sein.
Deshalb sagte er: „Tanzen zum Beispiel!“
„Ja, Wanzen!“, schrie Torben begeistert und ich schüttelte
kaum merklich den Kopf. Hilfi war in Fahrt und lief unter Mamas wohlwollenden
Blicken zu Höchstform auf. „Bei einer Party macht man lauter Dinge, die einem
Spaß machen und isst ganz leckeres Essen ... Oder, Kai?“
Er sah mich aufmunternd an. Ich schüttelte weiter den Kopf,
während ich sagte: „Ja, zum Beispiel falschen Hasen!“
Torbens Strahlemiene wurde zu einem verunsicherten Flunsch
und nun rückte er seinen Kinderstuhl zurück, um unter dem Tisch zu schauen, ob
da nicht doch irgendwo Herr Bauer war. Party vergessen.
Mama schoss Blitze auf mich. Das konnte sie gut. Und Hilfi
legte ihr die Hand auf den Arm und tat dabei irgendwie so, als würde er mich
beschützen und gleichzeitig wieder so unglaublich verständnisvoll sein.
Ich kam nur ungeschoren davon, weil Torben einen Heulkrampf
bekam und Mamas ganze Aufmerksamkeit auf sich zog.
Ich zog auch, und zwar in mein Zimmer ab. Dort überlegte ich
mir, was zu tun sei.
Ohne zu fragen, bin ich dann ´ne halbe Stunde nach draußen
gegangen. Als ich zurückkam, hab ich mich erst bei Mama entschuldigt und ihr
genauso verständnisvoll die Hand auf den Arm gelegt wie Hilfi. Das fand er
doof, hab ich richtig gemerkt, aber Mama hat sich gefreut.
Am Abend hab ich Torben alles erklärt mit Herrn Bauer (außer
das mit der Zunge). Das wir alle irgendwann sterben müssen und so weiter.
Er hat nicht alles verstanden, vielleicht weil ich es dann
irgendwie doch nicht so richtig gut erklären konnte. Aber ich hatte vorgesorgt
und ihm einen neuen Hasen gekauft. So´n ganz besonders niedlichen mit voll
plüschigen Ohren. Von meinem eigenen Taschengeld gekauft – und diesem zehn
Euroschein, der Hilfi ... naja, irgendwie aus dem Portemonnaie gefallen war.
Wir haben den Hasen Herr Bauer Zwei genannt und beim ins
Bett Gehen war Torben irgendwie gar nicht mehr traurig wegen Herr Bauer Eins,
nur noch ein bisschen, hat er gesagt.
Tja, alles muss man selber machen. – Während die Erwachsenen
sich um Partys kümmern, die dann nicht mal stattfinden!
Eine Schande ist das!
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