Rüdiger Bertram – Antje Herden – Kai Lüftner

Rüdiger Bertram – Antje Herden – Kai Lüftner

Donnerstag, 27. Februar 2014

Batman – Kai Lüftner


Batman wohnt ein paar Häuser neben mir, in der Knipprodestraße Berlin, Erdgeschoss links.
Man kann es nicht übersehen. An der Wohnungstür ist - ganz schön selbstverliebt für meinen Geschmack - ein mittlerweile ziemlich abgeranzter Aufkleber mit seinem bekloppten Fledermaus-Logo. Vermutlich ein Gimmick aus irgendeinem Burger-King-Menü.
Man kann die Tür nicht nur nicht übersehen, sondern vor allem auch nicht überriechen. Es stinkt derart nach Pisse, alten Socken und Opa-Schwitze, dass man beim Vorbeigehen automatisch schaut, ob hier vielleicht irgendwo eine tote Katze vor sich hin verwest.
Alles in allem entspricht Batman nicht wirklich dem, was man erwarten würde. Oder vielleicht doch. Ich persönlich war mir bisher gar nicht so sicher, was ich von einem Superhelden eigentlich erwarte.
Batman hängt meistens vor dem Lidl rum und hat schon einen guten Tag, wenn er nicht direkt in seiner eigenen Kotze eingeschlafen ist, sondern daneben liegt. In einem Haufen Dobermann-Kacke zum Beispiel, zugedeckt mit Mahnungen von Gaswerken oder dubiosen Strom- und Internetanbietern.
Es ist jedes mal aufs Neue ein so unfassbar erbärmlicher Anblick, dass man nicht mal mehr Mitleid haben kann, sondern einfach nur lupenreine und bedingungslose Abscheu empfindet.
Als ich mir neulich in eben jenem Lidl eine Packung Bio-Cabanossi und ein Kilo Knabberbrezeln kaufen wollte, streifte mich der Odem des Todes, denn Batman hatte mich nach einer Kippe angeschnorrt.
Hab ich nich!, sagte ich so unkollegial wie möglich und wollte weitergehen.
Wartma!antwortete er und legte mir seinen schmierigen Griffel auf die Schulter. Die Jacke konnte ich später wegwerfen, weil die Stelle selbst nach drei Intensiv-Waschgängen einfach nicht aufhören wollte zu schimmeln.
Wartma!“, sagte er noch mal und kam mir mit seinem Gesicht so nah, als ob er mich küssen wollte. Was er da an Gerüchen zwischen seinen fauligen Zahnstummeln hervor drückte, war der olfaktorische Supergau und spielte in einer Ekel-Liga, der ich nichtmal zu härtesten Punker-Zeiten angehörte.
Ich überlegte grad, wo ich ihm am besten hinschlagen sollte, ohne mich mit irgendwas schrecklichem zu infizieren, da veränderte sich etwas in seinem Blick.
Die wie Leberzirrhose-Signalbojen in rotem Dotter schwimmenden Pupillen weiteten sich in einem Ausdruck bodenlosen Erstaunens, Erkennens, Verrückt-Werdens.
Dann atmete er aus. In meine Richtung. Den folgenden Kotzreitz zu unterdrücken kostete mich derart viel Kraft, dass mir beinahe irgendein Schließmuskel geplatzt wäre.
Robin?“, fragte er dann und in seiner Stimme lag was zwischen Sehnsucht und Alptraum. Er hustete ab und spuckte eine Handvoll Gelb-Grün-Glibbriges auf eine der Stromanbieter-Mahnungen.
„Äh, nein!“, gab ich zurück und wollte mich nun endlich auf zur Cabanossi-Theke machen, da stellte er sich mir erneut in den Weg. Etwas war anders in den ansonsten so ungelenk-schwammigen Bewegungen. Es blinzelte eine verschütt geglaubte Kraft und Anmut unter dem Schorf seines Verfalls hervor. Wenn diese Kraft und Anmut auch deutlich schielte und humpelte und überhaupt irgendwelche Dinge tat, die man nicht mit Kraft und Anmut in Verbindung bringt.
Jetz wartdoma!!! Auch seine Stimme klang nun weniger nach schwarzem Krauser und Kehlkopfkrebs. Sie hatte eine Art Klang. Selbst die verwaschene Aussprache ertrank nicht mehr im unkontrollierbaren Speichelfluss.
Er fummelte im stockfleckigen Etwas, das mal ein Holzfällerhemd gewesen sein mochte und förderte eine kleine schwarze Maske zu tage. Eine Robin-Maske. Soweit ich erkennen konnte, ordentlich zusammengefaltet und in einer kleinen durchsichtigen Frühstückstüte verstaut.
Seine Hand zitterte. Nicht vor Schwäche diesmal, sondern vor Erregung.
Er hielt mir die Maske hin.
Erinnerst du dich nicht?“, fragte er ohne mich anzuschauen, den Blick an mir vorbei in den Himmel gerichtet.
Irgendwie platzte mir der Kragen, wie man so schön sagt. Ich kaute auf meinem Kiefer herum und wühlte im Hirn nach einer deutlichen Ansage.
Meister, ich hab keine Lösung für dich, bewundere aber das Problem! Wenn du mich allerdings nicht gleich in Ruhe und vorbei lässt, klopp ich dir den Pansen noch schiefer als er schon ist! Also: Aus der Bahn jetzt, Batman!
Wenn mich nicht alles täuschte, machte dieser Spruch durchaus Eindruck auf ihn. Allerdings umgekehrt proportional oder wie das heißt. Er starrte mich aus seinen Trief-Augen müde und traurig an, straffte sich und wirkte mit einem Mal vollkommen verändert. Unter der Kruste brach etwas hervor, dass wirklich wirklich wirklich gefährlich wirkte. So gefährlich dass - ich muss es zugeben - mir eine Art innerer Überlebensinstinkt signalisierte, dass die Cabanossi nicht ganz so wichtig war, wie mein nächster Geburtstag.
Ich floh kurzerhand durch den Haufen Dobermann-Kacke und verlor dabei sogar noch meinen Chip für den Wagen. Was allerdings zu verknusen war, angesichts des diabolischen Lachens, dass mich verfolgte, bis der Lidl und Batman längst außer Sicht waren.
Als ich Stunden später nach Hause schlich und dabei tunlichst vermied, an Batmans Wohnung vorbei zu gehen, prangte noch immer ein Fledermaus-Zeichen am nächtlichen Himmel Berlins.
Ein echtes übrigens, keins aus einem Burger-King-Menü.
Den Lidl hab ich nie wieder besucht.
Ich gehe nun immer zu Penny. Auch wenn es da keine Bio-Cabanossi gibt. 

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