Batman wohnt ein paar Häuser neben mir, in der Knipprodestraße
Berlin, Erdgeschoss links.
Man kann es nicht übersehen. An der Wohnungstür
ist - ganz schön selbstverliebt für meinen Geschmack - ein mittlerweile
ziemlich abgeranzter Aufkleber mit seinem bekloppten Fledermaus-Logo.
Vermutlich ein Gimmick aus irgendeinem Burger-King-Menü.
Man kann die Tür nicht nur nicht übersehen,
sondern vor allem auch nicht überriechen. Es stinkt derart nach
Pisse, alten Socken und Opa-Schwitze, dass man beim Vorbeigehen automatisch
schaut, ob hier vielleicht irgendwo eine tote Katze vor sich hin verwest.
Alles in allem entspricht Batman nicht wirklich dem, was man
erwarten würde. Oder vielleicht doch. Ich persönlich war mir
bisher gar nicht so sicher, was ich von einem Superhelden eigentlich erwarte.
Batman hängt meistens vor dem Lidl rum und hat
schon einen guten Tag, wenn er nicht direkt in seiner eigenen Kotze
eingeschlafen ist, sondern daneben liegt. In einem Haufen Dobermann-Kacke zum
Beispiel, zugedeckt mit Mahnungen von Gaswerken oder dubiosen Strom- und
Internetanbietern.
Es ist jedes mal aufs Neue ein so unfassbar erbärmlicher
Anblick, dass man nicht mal mehr Mitleid haben kann, sondern einfach nur
lupenreine und bedingungslose Abscheu empfindet.
Als ich mir neulich in eben jenem Lidl eine Packung Bio-Cabanossi
und ein Kilo Knabberbrezeln kaufen wollte, streifte mich der Odem des Todes,
denn Batman hatte mich nach einer Kippe angeschnorrt.
„Hab ich nich!“, sagte ich so unkollegial wie möglich
und wollte weitergehen.
„Wartma!“, antwortete er und legte mir
seinen schmierigen Griffel auf die Schulter. Die Jacke konnte ich später
wegwerfen, weil die Stelle selbst nach drei Intensiv-Waschgängen
einfach nicht aufhören wollte zu schimmeln.
„Wartma!“, sagte er noch mal und kam mir mit
seinem Gesicht so nah, als ob er mich küssen wollte. Was er da an Gerüchen
zwischen seinen fauligen Zahnstummeln hervor drückte, war der
olfaktorische Supergau und spielte in einer Ekel-Liga, der ich nichtmal zu härtesten
Punker-Zeiten angehörte.
Ich überlegte grad, wo ich ihm am besten
hinschlagen sollte, ohne mich mit irgendwas schrecklichem zu infizieren, da veränderte
sich etwas in seinem Blick.
Die wie Leberzirrhose-Signalbojen in rotem Dotter schwimmenden
Pupillen weiteten sich in einem Ausdruck bodenlosen Erstaunens, Erkennens, Verrückt-Werdens.
Dann atmete er aus. In meine Richtung. Den folgenden Kotzreitz zu
unterdrücken kostete mich derart viel Kraft, dass mir beinahe
irgendein Schließmuskel geplatzt wäre.
„Robin?“, fragte er dann und in seiner Stimme
lag was zwischen Sehnsucht und Alptraum. Er hustete ab und spuckte eine
Handvoll Gelb-Grün-Glibbriges auf eine der
Stromanbieter-Mahnungen.
„Äh, nein!“, gab ich zurück und wollte mich
nun endlich auf zur Cabanossi-Theke machen, da stellte er sich mir erneut in
den Weg. Etwas war anders in den ansonsten so ungelenk-schwammigen Bewegungen.
Es blinzelte eine verschütt geglaubte Kraft und Anmut unter dem
Schorf seines Verfalls hervor. Wenn diese Kraft und Anmut auch deutlich schielte
und humpelte und überhaupt irgendwelche Dinge tat, die
man nicht mit Kraft und Anmut in Verbindung bringt.
„Jetz wartdoma!!!“ Auch seine Stimme klang nun weniger
nach schwarzem Krauser und Kehlkopfkrebs. Sie hatte eine Art Klang. Selbst die
verwaschene Aussprache ertrank nicht mehr im unkontrollierbaren Speichelfluss.
Er fummelte im stockfleckigen Etwas, das mal ein Holzfällerhemd
gewesen sein mochte und förderte eine kleine schwarze Maske zu
tage. Eine Robin-Maske. Soweit ich erkennen konnte, ordentlich zusammengefaltet
und in einer kleinen durchsichtigen Frühstückstüte
verstaut.
Seine Hand zitterte. Nicht vor Schwäche diesmal,
sondern vor Erregung.
Er hielt mir die Maske hin.
„Erinnerst du dich nicht?“, fragte
er ohne mich anzuschauen, den Blick an mir vorbei in den Himmel gerichtet.
Irgendwie platzte mir der Kragen, wie man so schön
sagt. Ich kaute auf meinem Kiefer herum und wühlte im Hirn nach
einer deutlichen Ansage.
„Meister, ich hab keine Lösung für
dich, bewundere aber das Problem! Wenn du mich allerdings nicht gleich in Ruhe
und vorbei lässt, klopp ich dir den Pansen noch schiefer als er schon
ist! Also: Aus der Bahn jetzt, Batman!“
Wenn mich nicht alles täuschte, machte dieser Spruch durchaus
Eindruck auf ihn. Allerdings umgekehrt proportional oder wie das heißt.
Er starrte mich aus seinen Trief-Augen müde und traurig an,
straffte sich und wirkte mit einem Mal vollkommen verändert. Unter der
Kruste brach etwas hervor, dass wirklich wirklich wirklich gefährlich
wirkte. So gefährlich dass - ich muss es zugeben - mir eine Art innerer Überlebensinstinkt
signalisierte, dass die Cabanossi nicht ganz so wichtig war, wie mein nächster
Geburtstag.
Ich floh kurzerhand durch den Haufen Dobermann-Kacke und verlor
dabei sogar noch meinen Chip für den Wagen. Was allerdings zu
verknusen war, angesichts des diabolischen Lachens, dass mich verfolgte, bis
der Lidl und Batman längst außer Sicht waren.
Als ich Stunden später nach Hause schlich und dabei
tunlichst vermied, an Batmans Wohnung vorbei zu gehen, prangte noch immer ein
Fledermaus-Zeichen am nächtlichen Himmel Berlins.
Ein echtes übrigens, keins aus einem
Burger-King-Menü.
Den Lidl hab ich nie wieder besucht.
Ich gehe nun immer zu Penny. Auch wenn es da keine Bio-Cabanossi
gibt.
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