Rüdiger Bertram – Antje Herden – Kai Lüftner

Rüdiger Bertram – Antje Herden – Kai Lüftner

Donnerstag, 17. April 2014

Navi – Rüdiger Bertram

Int/Morgen - Bücherei 

Eine aufgelöste Bibliothekarin und ihr verkaterter Praktikant warten hinter der gläsernen Eingangstür der Bücherei und starren ungeduldig nach draußen. In ihrem Rücken stehen viele Stühle und ein Tisch, auf dem eine Flasche Wasser, ein Glas und ein Teller mit zwei belegten Brötchenhälften (eines mit Schinken, eines mit Käse) stehen. Während des Gesprächs lassen die beiden die Straße vor ihrer Bücherei nicht aus den Augen.

BiBLIOTHEKARIN 
Jetzt haben wir den Salat. Bist du sicher, dass er nicht doch noch im Hotel ist? Vielleicht hat er einfach nur verschlafen? 

PRAKTIKANT 
Da habe ich schon angerufen. Sie haben extra nachgeschaut, aber sein Bett war völlig unberührt. 

BIBLIOTHEKARIN 
(rauft sich die Haare) 
Eine Katastrophe! So etwas hätte sich nicht mal Stephen King ausdenken können. 

PRAKTIKANT 
Na ja, so schlimm ... 

BIBLIOTHEKARIN 
Es ist sogar noch schlimmer. Hier kommen gleich 80 Kinder, die sich seit Wochen auf diese Lesung freuen! Und wer fehlt? Der Autor! Hast du ihm wenigstens den Navi programmiert, damit er uns findet? 

PRAKTIKANT 
Wie Sie gesagt haben. Ich habe ihn gestern Abend im Hotel begrüßt und gleich die Adresse unserer Bücherei in den Navi seines Wagens eingegeben. Dann habe ich ihm noch eine gute Nacht gewünscht und bin nach Hause. 

BIBLIOTHEKARIN 
(verdreht die Augen) 
Wieso bist du nicht da geblieben? Wieso hast du nicht vor dem Hotel Wache gestanden? Wieso muss man hier alles selber machen? 

PRAKTIKANT 
Wachestehen braucht ich gar nicht, er hat mich ja angerufen. 

BIBLIOTHEKARIN 
(in den Augen ein Funke Hoffnung) 
Wann? 

PRAKTIKANT 
Etwa zehn Minuten, nachdem ich weg war. Er wollte wissen, wo bei uns hier was mit Frauen geht. 

BIBLIOTHEKARIN 
(der Funke ist weg) 
Was für Frauen? 

PRAKTIKANT 
Na, solche Frauen. 

BIBLIOTHEKARIN 
(fasst sich an den Kopf) 
SOLCHE Frauen?!!!! Oh nein, du hast doch nicht ... 

PRAKTIKANT 
Sie sagten doch, ich soll ihm jeden Wunsch von den Lippen ablesen. 

BIBLIOTHEKARIN 
Jeden, aber doch nicht alle. 

PRAKTIKANT 
Habe ich ja auch nicht, ich bin sofort zurück ins Hotel, damit er keinen Unfug macht. 

BIBLIOTHEKARIN 
Sehr gut. 

PRAKTIKANT 
Hat er aber trotzdem. Als ich ankam, war er nämlich schon weg. Der Portier hat gesagt, er ist raus, um noch was zu erleben. 

BIBLIOTHEKARIN 
Bei uns?! Hier kann man doch nichts erleben! 

PRAKTIKANT 
Dachte ich ja auch, aber dann hat mir der Portier eine Adresse gegeben. Einen Saunclub. 

BIBLIOTHEKARIN 
(erleichtert) 
Ach, er wollte nur saunieren. Ich dachte schon ... 

PRAKTIKANT 
Saunieren wollte er eigentlich nicht. Es war auch nicht so eine Art von Sauna. 

BIBLIOTHEKARIN 
(der Ohnmacht nahe) 
Hoffentlich hat ihn da keiner gesehen! 

PRAKTIKANT 
Glaube ich nicht, als ich ankam, war ja nur er da ... und ein Fotograf von der Lokalzeitung und natürlich ganz viele Frauen, aber die hatten nur ... eigentlich fast gar nichts ... aber das ist ja wohl normal in der Sauna. 

Der Praktikant kramt in der Tasche nach einem Stück Papier. 

PRAKTIKANT (CONT'D) 
Ich habe da auch noch eine Quittung. Er hat gesagt, die soll ich Ihnen geben, wegen der Spesen und so. 

Die Bibliothekarin wirft einen Blick auf die Quittung. 

BIBLIOTHEKARIN 
595 Euro! 

PRAKTIKANT 
Na ja, da hat ein Bier ja schon 15 gekostet! 

BIBLIOTHEKARIN 
(sinkt auf einen der Stühle) 
Aber danach, danach ist er zurück ins Hotel. Ist er doch, oder ...? 

PRAKTIKANT 
Fast. Vorher sind wir nur noch ganz kurz zu Horst. Hat bei uns ja sonst auch nichts mehr auf um die Uhrzeit. 

BIBLIOTHEKARIN 
Wer zum Teufel ist Horst? 

PRAKTIKANT 
So heißt doch die Kneipe am Bahnhof: Bei Horst. Ich kannte die bisher auch nicht. Und da ... 

BIBLIOTHEKARIN 
(hält sich die Ohren zu) 
Ich will das gar nicht hören. 

PRAKTIKANT
So ganz genau, weiß ich das ja selbst nicht mehr. Es war ja schon ziemlich spät und ich hatte ja auch schon einiges ... 

Die Bibliothekarin muss sich an der Wand abstützten. 

PRAKTIKANT  (CONT'D)
Ich erinnere mich nur an die Polizei, weil irgendwer sein volles Bierglas geworfen hat. Ich glaub sogar, das war er selbst ... 

BIBLIOTHEKARIN 
Aber wieso denn bloß? 

PRAKTIKANT 
Weil so ein Typ an der Theke gesagt hat, Goethe sei voll für den Arsch. Danach habe ich einen Filmriss für eine Stunde oder so. Ich bin erst in dem Brunnen vor dem Rathaus wieder zu mir gekommen. 

BIBLIOTHEKARIN 
(leicht hysterisch) 
Verstehen Sie Spaß! Ich bin bei Verstehen Sie Spaß! Sag schon, wo sind die Kameras? 

PRAKTIKANT 
Da waren keine Kameras! Halt doch, der Fotograf hatte eine. Der hat ja auch alles fotografiert, also wie ER und ich nackt durch die Fußgängerzone gerannt und dann in den Brunnen gesprungen sind. 

BIBLIOTHEKARIN 
(bricht zusammen) 
Das ist das Ende. 

Die Tür geht auf und der Autor erscheint. 

AUTOR
Ist das nicht ein herrlicher Morgen! 
(wendet sich an den Praktikanten) 
Danke fürs Programmieren meines Navis, ohne den hätte ich es heute früh nie und nimmer pünktlich aus Amsterdam hierher geschafft. 

PRAKTIKANT & BIBLIOTHEKARIN 
Amsterdam? 

AUTOR 
Ich liebe es, an den Ufern der Grachten zu frühstücken. Sind die kleinen Kröten schon da? 

Vor der Tür ist plötzlich fröhliches Lärmen zu hören. Die Kinder erscheinen zur Lesung, strömen an der Bibliothekarin vorbei und nehmen ihre Plätze ein. Der Autor wendet sich den Kindern zu. 

AUTOR (CONT'D) 
Gibt es euch auch in leise? Der Onkel hat Kopfschmerzen. Also Klappe halten und Buch aufschlagen. Seite 24 und dann wird gelesen. Heißt ja nicht umsonst Lesung. Aber still sein dabei, sonst schlägt das Buch zurück und der Onkel oder beide. 

Er wendet sich an die Bibliothekarin.

AUTOR (CONT'D) 
Ich hole mir jetzt erst mal einen Kaffee. Wollen Sie auch einen? Sie sehen aus, als könnten Sie einen gebrauchen.

1 Kommentar:

  1. Super Super lustig :) danke für das Gelächter vor den Feiertagen :)
    LG C.

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