Grünleuchtendes Plasma tropfte von der Klinge auf meine Hose, als ich den Degen in die Scheide zurücksteckte. Aber für solche Kleinigkeiten hatte ich keine Zeit. Ich warf einen letzten Blick auf den von der Silberklinge zerfetzten noch leise wabernden Haufen vor mir. Der Typ würde niemandem mehr Furcht einflößen. Es war der fünfte dieser grausigen Gesellen, von denen ich heute die Welt befreit hatte. So wie gestern und vorgestern auch. Ein Anflug von Stolz wollte sich in meiner Brust breitmachen. Doch Stolz ist für den kleinen Mann und ich bin ein Held.
Trotzdem. Irgendwo musste ein Nest der Typen sein. Anders war es nicht zu erklären, dass immer wieder neue auftauchten. Ich sollte dringend dem Friedhof einen mitternächtlichen Besuch abstatten, mich in die schwarzen Gruften zwängen, die Gräber in Augenschein nehmen. Auch in der Kanalisation schien eine Aufgabe auf mich zu warten. Irgendetwas war da unten los. Seit einigen Nächten war beobachtet worden, wie die Gullydeckel zur Seite rutschten und zottlige muskelbepackte Unholde, so groß wie kleine Kinder, herauskrochen und schnüffelnd durch die dunklen Straßen humpelten. Sie hinterließen bestialisch stinkende Schleimklumpen, die sie in die Ecken rotzten, und kriechendes Gewürm, das aus ihrem verfilzten Fell fiel. Ich ahnte, wer sie waren. Den Bewohnern dieser Stadt standen unruhige, ja gefährliche Zeiten bevor.
Gedankenverloren lief ich durch den Park. Es dämmerte bereits, doch das konnte ich als Ausrede eigentlich nicht akzeptieren: Ich hatte sie beinahe übersehen! Dabei musste der Pesthauch, der sie stets begleitete, egal in wieviel Litern Parfum und Duftwässerchen sie badeten, mich schon eine ganze Weile umweht haben. Blöderweise bemerkte ich sie jedoch erst, als ihre fürchterlichen Gestalten meinen Weg versperrten.
„Muss das sein?“, stöhnte ich genervt. Ich war müde, von stinkenden Sekreten verklebt, ich hatte Hunger und überhaupt gar keine Lust auf einen weiteren Kampf.
Doch das interessierte die beiden Gestalten nicht, die erfolglos versuchten, ihre verwesenden Haut- und Fleischfetzen, ihre herausragenden Knochen und Gebisse unter langen Mänteln, pikfeinen Anzügen und schicken Hüten zu verbergen.
„Es muss sein, wir haben Hunger“, bemüssigte sich einer der beiden zu antworten und schenkte mir ein schauerliches Grinsen. Dabei flutschte ihm aus Versehen der stark getrübte aber einzige Augapfel aus der Höhle und rollte in den Nachtschatten.
„Verdammt!“, grollte die Gestalt und begann blind auf dem Boden danach zu tasten.
„Warte, Alter, ich helfe dir gucken“, sagte der andere und bückte sich ebenfalls.
Sie waren zwar gnadenlos, aber auf ihre Dämlichkeit konnte man sich immer wieder verlassen. Also zog ich meinen verkrusteten Degen ein weiteres Mal aus der Scheide. Ich wollte nach Hause und hatte auf diese ganze Sache hier keine Lust mehr, darum machte ich ganz kurzen Prozess mit ihnen. Sie würden Stunden brauchen, aus den Knochenhaufen wieder funktionierende Skelette zusammen zu basteln.
„Hey, Mann, was soll der Scheiß?“, schrie mir einer der Schädel nach.
„Selber Schuld!“, rief ich zurück und rannte die letzten Meter.
„Hier, mein Schatz, ist deine warme Milch“, sagte Mama und reichte mir die Flasche.
Selig griff ich danach und führte sie blind in den Mund. Doch entsetzt zog ich sie wieder heraus und starrte auf den harten Plastiksauger.
„Wo ist der Schnuller?“, fragte ich und merkte selbst wie weinerlich meine Stimme klang.
Mama setzte sich zu mir auf die Matratze.
„Luis, du bist jetzt 6 Jahre und wirklich alt genug, deine Milch ohne Schnuller zu trinken.“
Dann schnüffelte sie an mir herum. „Sag mal, mein Schatz, du riechst ganz schön streng. Vielleicht solltest du morgen früh noch baden.“
„Ich hatte einiges zu erledigen“, murmelte ich.
Mama lachte. „Mein Geisterjäger und Weltretter!“ Sie gab mir einen Kuss.
Als sie gegangen war, saugte ich traurig an dem Plastikaufsatz der Milchflasche. Es sah ganz danach aus, als würden harte Zeiten auf mich zu kommen.
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